30. November 2020 |
| GeSK

Von der Wegwerfgesellschaft zur zirkulären Ökonomie – Interview mit Günther Reifer zum Thema Kreislaufwirtschaft

Was ist das Modell der Kreislaufwirtschaft?
Die Kreislaufwirtschaft – oder auch Circular Economy – beschreibt ein Wirtschaftsmodell, in dem bestehende Produkte so lange wie möglich verwendet werden und Abfall somit auf ein Minimum reduziert wird. Das heißt, wenn ein Produkt kaputt ist oder nicht mehr gefällt, landet es nicht schlicht und einfach in der Tonne. Es wird weitergegeben an Menschen, die noch einen Nutzen dafür haben. Viele Gebrauchsgegenstände zum Beispiel können repariert oder aufgearbeitet werden, wodurch sich ihr Leben verlängert – teilweise sogar um Jahre. Ist das nicht mehr möglich, so werden Produkte recycelt. Das Aufbereiten von Abfallprodukten zu Sekundärrohstoffen schont dabei primäre Rohstoffe. Durch eine Kreislaufwirtschaft verbrauchen wir also weniger Materialien und produzieren gleichzeitig weniger Abfall.

Warum brauchen wir eine Kreislaufwirtschaft?
Wir leben zurzeit in einer Wegwerfwirtschaft. Wir entnehmen der Natur jedes Jahr wertvolle Rohstoffe und verwandeln diese in Massenware, die dann oftmals nach nur einmaligem Gebrauch entsorgt wird. Allein in Deutschland verbraucht jeder Mensch circa 16 Tonnen an Rohmaterial pro Jahr. Fast ein Drittel davon landet jedes Jahr wieder im Müll. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass das eine Einbahnstraße ist: Wenn wir uns weiterhin so verhalten, werden wir in naher Zukunft unseren Planeten ausgeplündert haben und unter einem Berg von Abfall begraben liegen. In Anbetracht der stetig wachsenden Weltbevölkerung und der damit verbundenen zunehmenden Nachfrage nach Rohstoffen ist daher ein Umdenken dringendst erforderlich. Eine Kreislaufwirtschaft ist ein Lösungsansatz dafür.

Neben der Einsparung von Rohstoffen und der Vermeidung von Müll – was bringt uns eine Kreislaufwirtschaft?
Ein zirkuläres Wirtschaftsmodell zieht allerlei Vorteile mit sich. Angefangen mit der Entlastung der Umwelt. Bei der Rohstoffgewinnung und Produktion von Neuwaren werden Lebensräume von Tieren und Pflanzen – teilweise gefährdeten Arten – zerstört und tonnenweise klimaschädliche Treibhausgase wie CO2 erzeugt. Die Aufbereitung bestehender Produkte spart dahingegen CO2 ein. Eine Kreislaufwirtschaft ist auch besser für Wirtschaft und Gesellschaft. Durch die Nutzung von Sekundärstoffen sparen Unternehmen an Materialien, Wasser und Energie – und das wiederum spart erhebliche Produktionskosten und macht somit wettbewerbsfähiger. Recycling erhöht zudem die Versorgungssicherheit an Ausgangsmaterial, während die Abhängigkeit von immer teureren Rohstoffimporten sinkt. Ein Unternehmen, das recycelt und sich damit für die Umwelt und das Klima stark macht, steigert außerdem sein Image in der Gesellschaft. Damit jedoch das Modell der Kreislaufwirtschaft gelingt, benötigen wir kreative Menschen für die Konzeption nachhaltiger Produkte und innovativer Technologien. Das schafft jede Menge neue Arbeitsplätze. 

Wie müssen Produkte gestaltet sein, um in so ein Kreislaufsystem integriert werden zu können?
Die Produktgestaltung spielt eine wesentliche Rolle für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Nachhaltig designte Produkte erfüllen neben Aspekten wie Funktionalität, Sicherheit, Ergonomie und Preis-Leistungsverhältnis auch Anforderungen an die Gesundheit und Umweltfreundlichkeit. Das sogenannte Ökodesign beeinflusst dabei nicht nur das Leben des Produktes an sich, sondern jede einzelne Phase seiner Wertschöpfung – das beginnt bei der Produktplanung und endet mit der Wiedereingliederung in den Wertstoffkreislauf. So sind Produkte generell nachhaltiger, wenn sie aus natürlichen und regenerativen Rohstoffen oder recycelten Materialien bestehen. Ihr Design muss so ausgelegt sein, dass sie haltbar, reparaturfreundlich und anpassbar sind. Ein Smartphone, das schon nach zwei Jahren seine Funktion verliert, weil dem Modell erforderliche Updates nicht mehr zur Verfügung stehen, entspricht keinesfalls einem ökologischen Gestaltungsansatz. Das Ökodesign berücksichtigt überdies auch eine recyclinggerechte Konstruktion. Produktteile können so schneller und einfacher wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden.

Wie kann es sein, dass wir uns immer noch in einer Linearwirtschaft befinden, obwohl die Kreislaufwirtschaft so viele Vorteile hat?
Es ist traurig, aber wahr: Nicht mal 10 Prozent der Wirtschaft ist zirkulär. Was in der Theorie so schön aussieht, ist in der Praxis teilweise schwer umsetzbar. Eine dieser Hürden für die Kreislaufwirtschaft ist der noch nicht funktionierende Sekundärrohstoffmarkt. Viele Primärstoffe sind derzeit immer noch sehr viel günstiger erhältlich als recycelte Materialien. Für einige Unternehmen fehlt also der finanzielle Anreiz, ihr Geschäftsmodell von linear auf zirkulär umzustellen. Ein weiterer Aspekt, der für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft unabdingbar ist, ist die Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren der unterschiedlichen Phasen der Wertschöpfungskette. Produktdesigner können Waren nur kreislauffähig gestalten, wenn sie über alle Prozesse von Rohstoffbeschaffung über Weiterverarbeitung bis Recycling ausgiebig informiert sind. Auch müssen Verbraucher künftig noch vor dem Erwerb eines Produktes über die Lebensdauer, mögliche Ersatzteile und Reparaturmöglichkeiten informiert werden. Nur so ist es ihnen möglich, ökologisch korrekte Konsumentscheidungen zu treffen. Und die sind schließlich ausschlaggebend, wenn es um die Etablierung einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft geht.

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